Das Deutsche Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) am Standort Witten erforscht im Rahmen des vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) geförderten Projekts "RAUM!Erleben", wie Menschen mit Demenz ihre Lebenswelt, ihren Alltag und ihre räumliche Orientierung an ihrem Lebensort wahrnehmen. In den letzten zwei Jahren (2023-2024) fanden Datenerhebungen mit Menschen mit Demenz statt. Über verschieden gestaltete Interviews und Stadtteilbegehungen brachten sie ihre vielfältigen Perspektiven in das Projekt ein und wirkten kreativ mit. In einem weiteren Schritt entwickelte das Forschungsteam gemeinsam mit einem Informatiker ein erzählanregendes Kartenspiel, um mit Menschen mit Demenz über ihre Lebenswelt ins Gespräch zu kommen. Zudem werteten die Forscher*innen im Team mit einer Architektin räumliche Situationen aus den Stadtteilbegehungen aus, die für die Orientierung besonders herausfordernd waren.
Ein weiterer Meilenstein des Forschungsprojekts "RAUM!Erleben" war ein partizipativer Workshop: Im November 2024 kamen Menschen mit Demenz, Angehörige, Ehrenamtliche, Akteur*innen der Praxis, die Forscher*innen des Projekts und eine Mitarbeiterin der Geschäftsstelle Nationale Demenzstrategie in Witten zusammen. Ziel war es, erste Forschungsergebnisse zu diskutieren und Handlungsempfehlungen für die Praxis zu formulieren.
Der zweiteilige Workshop begann am Vormittag in Kleingruppen mit Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen. Die Teilnehmer*innen diskutierten Fragen zu allgemeinen Unterstützungsbedarfen im Alltag und bei der räumlichen Orientierung im öffentlichen Raum, sowie zu noch fehlenden Angeboten am Lebensort. Die vertrauensvolle Atmosphäre ermöglichte sehr offene Gespräche. Neben der gemeinsamen Arbeit an den Handlungsempfehlungen fanden auch Humor und Emotionen ihren Platz. Ein Ergebnis war, dass Menschen mit Demenz sich wünschen, ihre Autonomie zu erhalten. Sie möchten Teil der Gesellschaft bleiben, Teilhabe erleben und in Belange, die ihren Alltag betreffen, eingebunden werden. Zudem sahen sie Möglichkeiten für einen verstärkten Austausch untereinander und für individualisierte Angebote, z. B. für Jungerkrankte oder Menschen mit beginnender Demenz. Angehörige formulierten den Wunsch nach Auszeiten und einer verbindlichen Unterstützung, z. B. durch Freund*innen. Sie diskutierten Möglichkeiten, um die Kommunikation von Ärzt:innen noch personenzentrierter auszurichten. Ein besonders eindringlicher Appell ging an die Politik, Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen aktiv in Diskussionen einzubeziehen – beispielsweise bei einer Weiterentwicklung der Nationalen Demenzstrategie.
Am Nachmittag waren Ehrenamtliche und Akteur*innen der Praxis sowie Menschen mit Demenz und Angehörige eingeladen, um ihre Praxiserfahrungen zu diskutieren. Dabei stand im Fokus, "wer" die Handlungsempfehlungen "wie" umsetzen könnte und "welche Angebote es in der Praxis noch braucht". Die Teilnehmer*innen tauschten sich beispielsweise über Herausforderungen bei der Nutzung des ÖPNV aus. Sie wünschten sich übersichtlichere Strukturen von Beratungsangeboten auf Bundes- und Landesebene, um diese sichtbarer und zugänglicher zu machen. Ein Appell ging auch hier an die Politik: eine Entbürokratisierung könnte die Praxis unterstützen. Zudem wurde diskutiert, wie das Wissen über Demenz stärker im Ehrenamt verankert werden könnte, z. B. durch Schulungen.
Ausgehend von den Ergebnissen des Workshops wird das Team des BMFSFJ-geförderten Projekts "RAUM!Erleben" am DZNE Witten diese Ideen und die Forschungsdaten nun weiter auswerten. Neben den wissenschaftlichen Fachberichten wird im Frühjahr 2025 eine Broschüre zu den Handlungsempfehlungen aus dem partizipativen Workshop und den Projektergebnissen veröffentlicht.
Forschungsteam:
Daniela Templin, Anne Fahsold, Sebastian Dorfmüller, Marie Wohlan, Julius Manuel Strotmann, Sanziana Maximeasa, Vincent Langenfeld, Martina Roes
und Saskia Kuliga (Projektleitung)
Kontakt:
E-Mail: raumerlebendznede
DZNE e.V. Witten
z.H. Dr. Saskia Kuliga
Stockumer Str. 12
58453 Witten