Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM) ist die wissenschaftliche Vertretung für die Allgemeinmedizin und den hausärztlichen Bereich.
Zu ihren zentralen Zielen zählen zum einen, die hausärztliche Versorgung in Deutschland zu fördern und insbesondere die wissenschaftliche Basis dafür zu verbessern. Zum anderen ist Ziel, die Allgemeinmedizin als anerkannte wissenschaftliche Disziplin zu stärken und sie dadurch als Rückgrat der Patientenversorgung weiterzuentwickeln.
Im folgenden Interview erläutern Prof. Erika Baum, Mitglied des Präsidiums und Past-Präsidentin der DEGAM und Prof. Christian Vollmar, Delegierter bei der Nationalen Demenzstrategie und der Leitlinie Demenz, die Arbeit der DEGAM und geben Einblicke in die Umsetzung verschiedener Maßnahmen der NDS. Insgesamt ist die DEGAM an der Umsetzung von 17 Maßnahmen beteiligt.
Frau Baum, Herr Vollamr, welche Aufgaben hat die DEGAM?
Die DEGAM ist Ansprechpartnerin bei allen Fragen zur wissenschaftlichen Entwicklung der Allgemeinmedizin an den Hochschulen, zur Fort- und Weiterbildung sowie zum Qualitätsmanagement. Sie erarbeitet eigene wissenschaftlich fundierte Leitlinien, um aktuelle wissenschaftliche Erkenntnisse für die hausärztliche Praxis zugänglich zu machen und damit den Wissenstransfer zu stärken. Außerdem beteiligen wir uns – vor allem über die Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) – an der Entwicklung interdisziplinärer Leitlinien anderer Fachgesellschaften. Darüber hinaus machen wir uns für die Förderung des allgemeinmedizinischen Nachwuchses stark. Vor allem bei gesundheitspolitischen Themen kooperieren wir eng mit dem Deutschen Hausärzteverband.
In welchen Bereichen spielen bei der DEGAM Menschen mit Demenz eine Rolle?
Faktisch in allen Bereichen der Allgemeinmedizin: in der Versorgung, der Forschung und der Lehre.
Was tun Sie in diesen Bereichen für Menschen mit Demenz?
Hier alles aufzuführen, würde den Rahmen sprengen. Deshalb verkürzt auf einige Schwerpunkte: Wir setzen uns intensiv dafür ein, dass das Thema Demenz in der ärztlichen Ausbildung behandelt wird, ebenso wie in der Weiter- und Fortbildung, sodass die Hausärztinnen und Hausärzte ihre Patientinnen und Patienten gemäß den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen behandeln und begleiten können. Dasselbe gilt für die Leitlinienarbeit, in die wir insbesondere die hausärztliche Perspektive aktiv einbringen – auch bei übergreifend ansetzenden Leitlinien wie Multimorbidität sowie Über- und Unterversorgung. Last but not least arbeiten wir daran, demenzielle Erkrankungen auch in den allgemeinmedizinischen Forschungspraxennetzwerken zum Thema zu machen – oder zu vertiefen.
Sie haben sich an 17 Maßnahmen der Nationalen Demenzstrategie beteiligt. Können Sie am Beispiel einer Maßnahme beschreiben welchen Weg diese Maßnahme bei der Umsetzung durch die DEGAM nimmt? Wer ist an der Umsetzung der Maßnahme in Ihrer Organisation beteiligt?
Das ist ein recht komplexer Prozess. Nehmen wir die Erstellung einer Leitlinie als Beispiel: Bei der Erstellung oder Aktualisierung dieser gibt es für uns klar definierte Prozesse mit Delegierten und Leitlinien-Paten. Dazu gehören auch Abstimmungen in der Sektion Leitlinien und Qualitätsförderung sowie im Präsidium, bis eine Leitlinie verabschiedet und schließlich veröffentlicht werden kann. Klar ist vor allem: Eine Leitlinie zu erstellen, ist sehr arbeitsintensiv.
Wie aufwändig das Prozedere ist, lässt sich am konkreten Beispiel der S3-Leitlinie Demenzen veranschaulichen: Hier ist die federführende Fachgesellschaft die Deutsche Gesellschaft für Psychatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e.V. (DGPPN), wir als DEGAM beteiligen uns aber. Die Sektion Leitlinien und Qualitätsförderung der DEGAM mandatiert Expertinnen und Experten und entsendet sie an die DGPPN: einen Delegierten, eine Stellvertretung sowie Patint:innen und Paten:innen, die den Prozess begleiten. Die federführende Fachgesellschaft lädt – ggfs. nach Rücksprache mit der AWMF – weitere für das Thema relevante Fachgesellschaften sowie möglichst auch eine Patientenvertretung ein und stimmt mit diesen die Schlüsselfragen ab. Dazu wird eine systematische Literaturrecherche und -bewertung durchgeführt und allen Beteiligten zur Verfügung gestellt. In Einzelfällen kann auch das steuerfinanzierte IQWiG hier unterstützen.
Die federführende Fachgesellschaft erstellt einen Textentwurf mit Kernempfehlungen, die möglichst evidenzbasiert sein sollen. Die Ergebnisse werden dann in der Gesamtgruppe diskutiert. Anschließend wird über die Empfehlungen abgestimmt. Falls es Änderungen gibt, wird erneut abgestimmt. Angenommen werden nur Empfehlungen mit einem 75-prozentigen Konsens. Es kommt allerdings auch vor, dass bei Überschreiten dieser Schwelle einzelne Fachgesellschaften ein Sondervotum einlegen, das wissenschaftlich begründet werden muss.
Wenn alles abgestimmt ist und die Texte entsprechend angepasst wurden, werden die Empfehlungen und Materialien den Präsidien der beteiligten Fachgesellschaften zum finalen Votum vorgelegt. Bei der DEGAM sieht das so aus: Zunächst kommentiert und stimmt die Sektion Leitlinien und Qualitätsförderung die Empfehlungen ab, danach gibt das geschäftsführende DEGAM-Präsidium die Leitlinie frei.
Es kommt auch vor, dass eine Fachgesellschaft der Leitlinie nicht zustimmt oder ein Sondervotum einbringt, das zusammen mit der Leitlinie publiziert wird. Zum Schluss überprüft die AWMF, ob alle formalen Vorgaben eingehalten wurden, und gibt die Leitlinie abschließend frei. Sie wird anschließend auf der Website der AWMF und auch der Fachgesellschaften publiziert.
An welche Stelle können sich Mitglieder Ihrer Organisation wenden, wenn sie sich für die Umsetzung der Maßnahme interessieren?
Die inhaltliche Arbeit ist in der DEGAM vor allem in unseren neun Sektionen verortet – bei Leitlinien natürlich in unserer Sektion Leitlinien und Qualitätsförderung, die in Dresden eine eigene Geschäftsstelle hat.
Wann können Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen von den Leitlinien profitieren?
Indem sie eine qualifizierte hausärztliche Betreuung pflegen. Am besten natürlich, wenn die Hausarztpraxis an der "Hausarztzentrierten Versorgung" teilnimmt, weil die Versorgung dann gut koordiniert und auch an entsprechende Qualitätszirkel angebunden ist – davon profitieren die Patientinnen und Patienten ganz besonders.
Eine Übersicht über Hausärztinnen und Hausärzte, die an der hausarztzentrierten Versorgung teilnehmen, finden Sie online.