Prävention und Rehabilitation für pflegende Angehörige

Die Pflege von Menschen mit Demenz kann für Angehörige mit psychischen und körperlichen Belastungen verbunden sein. Umso wichtiger ist es, dass sie von Anfang an regelmäßig unterstützt werden und Erholungsmöglichkeiten haben. Verschiedene Maßnahmen sollen helfen, Angebote zur Prävention und Rehabilitation für pflegende Angehörige von Menschen mit Demenz aus- und aufzubauen.

Den Alltag teilen, gemeinsame Zeit verbringen, Neues über sich und den Angehörigen lernen und nicht zuletzt die Bindung zueinander stärken – die Pflege von Angehörigen mit Demenz kann auf vielen Ebenen erfüllen. Trotzdem dreht sich der Alltag von pflegenden Angehörigen von Menschen mit Demenz, je nach Pflegegrad, größtenteils um die zu pflegende Person. Zeit für sich, Ruhe oder auch der soziale Kontakt mit Menschen außerhalb der Familie können so immer weiter in den Hintergrund rücken und auf Dauer sogar krank machen. Dem wollen unter anderem der GKV-Spitzenverband (GKV-SV), der Verband der Privaten Krankenversicherung e. V. (PKV), die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW), die Malteser, das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ), das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS), die Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V. Selbsthilfe Demenz (DALzG), die Deutsche Krankenhaus Gesellschaft (DKG) sowie der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V. (bpa) und der Verband Deutscher Alten und Behindertenhilfe e.V. (VDAB) mit verschiedenen Maßnahmen entgegenwirken.

Um Überlastungen vorzubeugen, sind frühzeitige, niedrigschwellige, wohnortnahe und individuell angepasste Angebote hilfreich. Dazu gehören auch psychosoziale Beratung oder Rehabilitationsmaßnahmen wie Kuren. In der Nationalen Demenzstrategie wurde daher vereinbart, pflegende Angehörige umfassend über präventive und entlastende Angebote zu informieren und Angebote auszubauen, um gesundheitlichen Belastungen vorzubeugen, damit die Pflegesituation gesundheitsverträglich gestaltet und auch mittel- und langfristig aufrechterhalten werden kann.

Selbstfürsorge lernen und Überlastungen vorbeugen

Die erste Anlaufstelle nach einer Demenzdiagnose ist meist die Pflegeberatung nach § 7a SGB XI, die im Laufe des Krankheitsverlaufs mehrfach in Anspruch genommen werden kann und allen Pflegebedürftigen und ihren An- und Zugehörigen offensteht. Daneben bestehen die häufig genutzten Möglichkeiten der Beratung in der Häuslichkeit, per Telefon oder Videokonferenz. Zur Pflegeberatung gehört auch, "über Leistungen zur Entlastung der Pflegepersonen" zu informieren. Dieser Teil der Beratung kann ohne den*die Pflegebedürftige*n stattfinden. Die Beratung kann Problemlösungen sowie Bewältigungsstrategien aufzeigen und so Überlastungen vorbeugen (Maßnahme 2.8.1 Präventionsprogramm für pflegende Angehörige). Das GKV-Bündnis für Gesundheit veröffentlicht jeweils aktuelle Angebote der Gesundheitsförderung und Prävention im Rahmen des Kommunalen Förderprogramms der GKV auf seiner Website.

Auch beim PKV gehört Prävention zu den Beratungsthemen im Rahmen der Pflegeberatung (Maßnahme 2.8.8 Präventionsberatung im Rahmen des § 7a SGB XI). In der aufsuchenden Beratung von "compass private Pflegeberatung" fragen Pflegepersonen (und Pflegebedürftige) besonders häufig nach Unterstützungsmöglichkeiten in der Pflege, nach Begutachtungen für die Pflegegradermittlung und wie diese ablaufen oder nach Entlastungsmöglichkeiten.
Demenz ist ein häufiges Thema in der Pflegeberatung. Auch hier ist das Ziel, den Betroffenen eine hohe Beratungsqualität zu bieten und sie bestmöglich über lokale Hilfestrukturen zu informieren, die für die Stabilisierung der häuslichen Situation wichtig sind. Deshalb arbeitet "compass" eng mit der DAlzG zusammen. Die Beratung zum Thema Demenz hat fast immer eine emotionale Komponente. Dies betrifft sowohl die Menschen, die selbst an Demenz erkrankt sind, als auch deren Angehörige. Darüber hinaus entwickelt sich der Pflegebedarf oft sehr viel dynamischer als in anderen Pflegesituationen. Dies unterscheidet die Beratung grundlegend von der Beratung von Pflegebedürftigen ohne Demenz. Deshalb setzt "compass" hier einen Schwerpunkt.

Auch im Leitfaden Prävention des GKV-Spitzenverbandes werden psychische und körperliche Belastungen durch Pflegetätigkeiten angesprochen. Die gesetzlichen Krankenkassen haben speziell auf pflegende Angehörige zugeschnittene Angebote zur Prävention- und Gesundheitsförderung - auch als Kompaktangebote an ein bis zwei Wochenenden. Ärzt*innen können dazu beitragen, Versicherte mit gesundheitsbezogenen Risiken zu ermutigen, solche präventiven Angebote in Anspruch zu nehmen und eine Präventionsempfehlung ausstellen. Über die Seiten der Nationalen Präventionskonferenz finden sich Angebote der gesetzlichen Krankenversicherung, der gesetzlichen Unfallversicherung, der sozialen Pflegeversicherung und der PKV für pflegende Angehörige. Hierzu zählen auch Pflegekurse für pflegende Angehörige.

Psychosoziale Beratung und Psychotherapie (Maßnahme 2.8.2 Stärkung von psychosozialer Beratung) können die psychische Gesundheit der pflegenden Angehörigen stärken, indem sie ihnen Bewältigungsstrategien für schwierige Situationen an die Hand geben oder neue Sichtweisen auf Familienkonflikte eröffnen. Die psychosoziale Beratung soll verstärkt in Familienberatungsstellen der Wohlfahrtsverbände angeboten werden.

Das BMFSFJ hat 2018 zudem das Projekt "Pausentaste – Wer anderen hilft, braucht manchmal selber Hilfe" ins Leben gerufen. Das Angebot richtete sich in erster Linie an pflegende Kinder und Jugendliche – eine besonders vulnerable Gruppe pflegender Angehöriger, auch von Menschen mit Demenz. Auf dem Webportal Pausentaste finden junge Pflegende, Fachkräfte und Interessierte Erfahrungsberichte, Interviews und Medientipps. Die Betreuung der Telefon- und Online-Beratung übernimmt der Verein "Nummer gegen Kummer". Die Beratung bietet pflegenden Kindern und Jugendlichen neben Informationen zu Hilfe- und Unterstützungsmöglichkeiten vor allem emotionale Entlastung.

Der Malteser Hilfsdienst entwickelt im Rahmen der Maßnahme 2.8.2 gemeinsam mit der Hochschule für Wirtschaft und Gesellschaft Ludwigshafen (HWG) und dem Deutschen Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen e.V. (DZNE) das Modellprojekt "Spezialisierte ambulante Begleitung von Menschen mit Demenz und ihren Familien" (SABD-Fam). Das Projekt hat zum Ziel, ein Versorgungskonzept zu entwickeln und zu erproben, das die Pflegearrangements für Menschen mit Demenz in der Häuslichkeit stabilisiert. Zu den eingesetzten Interventionen gehört die Unterstützung von Menschen mit Demenz und ihren Familien durch speziell geschulte "Fachberater*innen Demenz". Diese Fachkräfte begleiten die Betroffenen und ihre Angehörigen über einen längeren Zeitraum hinweg. Darüber hinaus werden interdisziplinäre Fallbesprechungen durchgeführt. Hierbei analysiert ein Team aus Ärzt*innen, Psychotherapeut*innen, Pflegekräften und Sozialarbeiter*innen die individuellen Probleme der Betroffenen und ihrer Familien, erarbeitet Lösungsansätze und leitet passende Hilfsmaßnahmen ein. Das Projekt wurde auch im Rahmen der Netzwerktagung Nationale Demenzstrategie auf einem Poster vorgestellt.

Rehabilitationsangebote für pflegende Angehörige

Wenn die Belastung für pflegende Angehörige zu groß wird und der Alltag zu schwer zu bewältigen ist, können Rehabilitationsangebote helfen (Maßnahme 2.8.4 Anspruch auf Rehabilitation für pflegende Angehörige und Versorgung der pflegebedürftigen Person nach § 40 Abs. 3 Satz 2 und 3 SGB V). Gemeinsam mit den Teilnehmenden werden Lösungen erarbeitet, die den Lebensalltag erleichtern und gesundheitlichen Problemen vorbeugen. Zudem finden Teilnehmende Abstand vom Alltag, schöpfen neue Kraft und lernen, achtsam mit sich selbst umzugehen und gut für sich zu sorgen.

Der Anspruch auf Rehabilitation für pflegende Angehörige ist in der Rehabilitations-Richtlinie (Reha-RL) verankert, wonach sowohl ambulante als auch stationäre Angebote von der Krankenkasse übernommen werden. Die Informationen inklusive der spezifischen Rehabilitationsmaßnahmen finden sich auf der Homepage des GKV-Spitzenverbandes. Hierüber sind die Krankenkassen informiert. Auch Krankenhauspersonal soll im Rahmen des Entlassmanagements auf das Thema Rehabilitation für pflegende Angehörige hinweisen.

Das Müttergenesungswerk bietet Kuren an, die sich konkret an pflegende Angehörige richten und sie vor Überlastung schützen oder Beschwerden wie Schlafstörungen, Erschöpfung oder Rückenschmerzen gezielt behandeln. Im Rahmen der Maßnahme 2.8.6 Rehabilitation und Vorsorge für pflegende Angehörige in Einrichtungen des Müttergenesungswerks haben die in der BAGFW zusammengeschlossenen Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege entsprechende Rehabilitations- und Präventionsangebote in den Müttergenesungswerken verstärkt beworben.

Und "mein" Mensch mit Demenz? – Betreuung während Beratungs- und Rehabilitationszeiten

Pflegende Angehörige haben einen Anspruch auf Beratungsangebote und Rehabilitationsleistungen. Für die Erholung ist es jedoch wichtig zu wissen, dass ihre Angehörigen in dieser Zeit gut versorgt sind, beispielweise in derselben Einrichtung. Das BMAS hat sich dazu verpflichtet zu prüfen, inwieweit hier Gesetzesanpassungen notwendig sind (Maßnahme 2.8.5 Koordination der Versorgung der Menschen mit Demenz während der Rehabilitation des pflegenden erwerbstätigen Angehörigen).

Seit dem 1. Juli 2024 gibt es im Rahmen des Pflegeunterstützungs- und ‑entlastungsgesetzes (PUEG) einen Anspruch auf Pflege für Pflegebedürftige, wenn die Pflegeperson in einer Vorsorge- oder Reha-Einrichtung ist. Entweder kann die pflegebedürftige Person mit in die Einrichtung oder sie wird in einer zugelassenen, nahegelegenen Pflegeeinrichtung versorgt. So können auch pflegende Angehörige von Menschen mit Demenz leichter an Rehabilitationsmaßnahmen teilnehmen.

Auch bei der Wahrnehmung von Pflegekursen (nach § 45 SGB XI) haben pflegende Angehörige einen gesetzlichen Anspruch auf die Betreuung der pflegebedürftigen Person. Darauf weisen die Akteure der Maßnahme 2.5.3 Betreuung der demenziell erkrankten Person bei Inanspruchnahme von Pflegekursen – der GKV-SV, die BAGFW, der bpa und der VDAB – gezielt und regelmäßig hin. Der bpa seinerseits schult Pflegeberater*innen dahingehend, dass sie pflegende Angehörige auf ihre gesetzlichen Ansprüche hinweisen. Ebenso unterstützen die Pflegeberater*innen des VDAB und der BAGFW pflegende Angehörige im Rahmen der Pflegeberatung bei der Suche nach einer geeigneten Betreuung. Die BAGFW aktualisiert zudem laufend ihre Kursmaterialien für Pflegeberater*innen, auch hinsichtlich der Betreuung der pflegebedürftigen Personen.

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