Stärkung der häuslichen Versorgung Pflegebedürftiger durch Ehrenamtliche

Nachbarschaftshilfe ist wichtig für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen. Im Projekt "Förderung von Nachbarschaftshilfe durch Servicepunkte" wurde das Potenzial des ehrenamtlichen Engagements von Einzelpersonen untersucht und dessen wohnortnahe Förderung durch sogenannte Servicepunkte modellhaft erprobt – mit vielversprechenden Ergebnissen. In Maßnahme 1.4.6 der Nationalen Demenzstrategie soll nun geprüft werden, wie die Ergebnisse des Projekts auch im Hinblick auf eine bessere Versorgung von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen genutzt werden können.

Hintergrund

Aufgrund des demografischen Wandels und der steigenden Anzahl an Pflegebedürftigen wächst in Deutschland der Bedarf an pflegerischer Versorgung und Unterstützung im Alltag. Laut Statistischem Bundesamt (Destatis) galten 4,1 Millionen Menschen Ende des Jahres 2019 nach dem Pflegeversicherungsgesetz (SGB XI) als pflegebedürftig. Davon wurden 3,3 Millionen Menschen zu Hause versorgt. Ein Anteil von etwa 70 Prozent der zu Hause versorgten Pflegebedürftigen wird ausschließlich von Angehörigen gepflegt und begleitet.

Auch viele der 1,6 Millionen Menschen mit Demenz leben in der eigenen Häuslichkeit. Sie benötigen vielfältige Unterstützung. Insbesondere mit Fortschreiten der Erkrankung nimmt der Pflege- und Unterstützungsbedarf deutlich zu. Oftmals übernehmen Familienmitglieder die Versorgung der Betroffenen. Auch sie benötigen Unterstützung oder Möglichkeiten zur eigenen Erholung. Das Hilfe- und Unterstützungsnetzwerk kann vielfältig sein. Personen aus der Nachbarschaft sind oft ganz selbstverständlich Teil dieser Netzwerke. Sie helfen zum Beispiel beim Einkaufen, begleiten Behördengänge, unterstützen im Haushalt oder verbringen einfach Zeit mit den Betroffenen. Nachbarschaftliche Hilfe kann Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen helfen, die Situation in der häuslichen Versorgung und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu verbessern.

Nachbarschaftshilfe als Angebot zur Unterstützung im Alltag gemäß § 45a SGB XI

Einige Bundeslänger, z. B. Hamburg, Nordrhein-Westfalen und Mecklenburg-Vorpommern, haben die Nachbarschaftshilfe von bürgerschaftlich engagierten Einzelpersonen bereits landesrechtlich anerkannt, sodass sie als Angebote zur Unterstützung im Alltag gemäß § 45a SGB XI genutzt werden können. Etwaige Kosten für Nachbarschaftshilfe (Aufwandsentschädigung) können sich Pflegebedürftige dann nach Vorlage von Belegen im Rahmen der Leistungen der Pflegeversicherung erstatten lassen (§ 45b SGB XI, Entlastungsbetrag). Über diese Möglichkeit müssen Pflegebedürftige und ihre Angehörigen informiert werden. Die Voraussetzungen für eine Anerkennung von Nachbarschaftshelferinnen und Nachbarschaftshelfern als Angebot zur Unterstützung im Alltag gemäß 45a SGB XI (z. B. Qualifizierung) regeln die jeweiligen Bundesländer in ihren Rechtsverordnungen.

Das Projekt „Förderung von Nachbarschaftshilfe durch Servicepunkte“

Das vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) geförderte Projekt „Förderung von Nachbarschaftshilfe durch Servicepunkte“ wurde 2017 vom Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) gestartet und von der Prognos AG wissenschaftlich begleitet. Ziel des Projektes war es, hilfe- und pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen durch niedrigschwellige und personenbezogene Hilfen von bürgerschaftlich engagierten Einzelpersonen – so genannten Nachbarschaftshelferinnen und Nachbarschaftshelfern – zu unterstützen. Zugleich sollte das Engagementpotenzial von Nachbarschaftshelferinnen und Nachbarschaftshelfern kleinräumig gefördert und die Nutzungsmöglichkeiten des Entlastungsbetrages gemäß § 45b SGB XI durch Versicherte ausgebaut werden. Dazu wurde untersucht, wie durch den Aufbau sogenannter „Servicepunkte“ bei etablierten Anlaufstellen (z. B. Pflegestützpunkte, Mehrgenerationenhäuser, etc.) das wohnortnahe bürgerschaftliche Engagement von Nachbarschaftshelferinnen und Nachbarschaftshelfern erschlossen und gefördert werden kann. Die Servicepunkte unterstützten und entwickelten die sozialräumliche Netzwerkarbeit, die der Beratung, Vermittlung und Begleitung von Engagierten, Pflegebedürftigen und Angehörigen aus der Nachbarschaft dient. Das Projekt wurde im Jahr 2020 abgeschlossen. Es zeigt das große Potenzial der Nachbarschaftshilfe. Gleichzeitig wurde deutlich, dass Engagierte, Betroffene und Angehörige ausreichend Informationen, Beratung und Begleitung in niedrigschwelliger Form benötigen. Diesem Bedarf kann durch die Einrichtung von Servicepunkten bei bereits bestehenden Anlaufstellen begegnet und damit  nachbarschaftliches Engagement durch Einzelpersonen gefördert werden.

Die Handreichung

Ein Ergebnis des Projekts ist eine Handreichung, um die Übertragung der positiven Ergebnisse in die Praxis zu fördern. Das Handbuch bietet Informationen über:

  • rechtliche Grundlagen der Nachbarschaftshilfe,
  • Nutzen und Potenziale der Nachbarschaftshilfe für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen sowie
  • Voraussetzungen und Rahmenbedingungen zur Einrichtung von Servicepunkten.

Die Voraussetzungen und Anforderungen zur Anerkennung der Nachbarschaftshilfe als Angebot zur Unterstützung im Alltag im Rahmen des § 45a SGB XI sind in den Rechtsverordnungen der Länder geregelt. Die Handreichung bietet einen Überblick hierzu. Das Absolvieren einer Schulung ist eine wichtige Anerkennungsvoraussetzung für die Nachbarschaftshilfe, die in den Bundesländern unterschiedlich und teils auch eher niedrigschwellig geregelt ist. Auf die Schulungen wird in der Handreichung gesondert eingegangen und Empfehlungen zur Ausgestaltung von Modulen gegeben. In diesen Modulen werden auch der Umgang und die Kommunikation mit Menschen mit Demenz berücksichtigt. Ein Muster-Curriculum ist darüber hinaus auf der Website des Projektes verfügbar.

Die Handreichung sowie weitere Informationen, Praxisbeispiele und nützliche Materialien werden auf der Internetseite des BMG sowie auf der Projektwebsite zur Verfügung gestellt.

Wie geht es weiter?

Sukzessive ermöglichen immer mehr Bundesländer die verordnungsrechtliche Anerkennung von Nachbarschaftshilfe durch bürgerschaftlich engagierte Einzelpersonen. Dementsprechend können mehr Pflegebedürftige und Angehörige den Entlastungsbetrag für die Kostenerstattung im Rahmen der Nachbarschaftshilfe nutzen. Neben Mecklenburg-Vorpommern, Schleswig-Holstein, Nordrhein-Westfalen, Hamburg, Saarland und Sachsen ist eine Anerkennung von Nachbarschaftshilfe seit Beginn des Jahres 2021 auch in Bayern und Berlin möglich. Weitere Länder wie z. B. Baden-Württemberg prüfen diese Möglichkeit zurzeit. Die Qualifizierungsangebote für Nachbarschaftshelferinnen und Nachbarschaftshelfer werden weiter ausgebaut. Viele regionale Alzheimer Gesellschaften und Bildungsträger bieten bereits Nachbarschaftshelferkurse an, die insbesondere zum Thema Demenz qualifizieren. Im Rahmen der Maßnahme 1.4.6 der Nationalen Demenzstrategie wird das Bundesministerium für Gesundheit auf der Grundlage der Ergebnisse des Projektes außerdem prüfen, inwieweit die Servicepunkte die Versorgung von Menschen mit Demenz verbessern können und wie gegebenenfalls die Implementierung in die Regelversorgung gefördert werden kann.

Den Abschluss- sowie den Kurzbericht zum Forschungsvorhaben finden Sie hier.

Weitere Informationen finden Sie auf der Website des Projektes.

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