Demenzfreundliche Begegnungs- und Verweilräume fördern

Drei Personen blicken auf ein Objekt, welches sich hinter der Kamera befindet.

Sich sicher im öffentlichen Raum zu bewegen verbessert die Lebensqualität von Menschen mit Demenz. Dennoch meiden viele diesen aufgrund von Scham oder Unsicherheit. Die Maßnahme 1.1.4 "Demenzsensible öffentliche Begegnungs- und Verweilräume" integriert die Bedürfnisse von Menschen mit Demenz in die Raumplanung – dies unterstützen unter anderem die Länder und kommunalen Spitzenverbände.

Für viele Menschen ist der Weg zur örtlichen Bäckerei eine Möglichkeit, Nachbar:innen zu treffen  und der Spaziergang durch den Stadtpark fester Bestandteil der Tagesroutine. Für Menschen mit Demenz werden solche Alltäglichkeiten oftmals zur Herausforderung. Hilf- und Orientierungslosigkeit verunsichern und erschweren die "Navigation" im öffentlichen Raum. Mit dem demografischen Wandel und einer zunehmend älteren Gesellschaft sollten gerade öffentliche Begegnungsräume so gestaltet sein, dass sie den Bedürfnissen der alten und hochaltrigen Menschen entsprechen und die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglichen.

Die Maßnahme 1.1.4 der Nationalen Demenzstrategie widmet sich der Errichtung und Gestaltung demenzfreundlicher Begegnungs- und Verweilräume im öffentlichen Raum. Daran arbeiten Länder, deutsche Kirchenträger (evangelische und katholische Kirche), der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa), das Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA), die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege (BAGFW) und die kommunalen Spitzenverbände gemeinsam. Zunächst wurden partizipative Bedarfsanalysen durchgeführt, zum Beispiel in Gestalt sogenannter "Zukunftswerkstätten". Im Dialog mit Bürger:innnen wurden mithilfe von Begriffen und dahinterliegenden Fragen, wie Träumen ("Was wünschen wir uns, um vor Ort gesund alt werden zu können?"), Kritisieren ("Was hindert uns vor Ort daran, gesund alt werden zu können?") und Realisieren ("Was soll in Bezug auf ein gesundes Älterwerden konkret verbessert werden? Welche Veränderungen wollen wir angehen?") Projektideen entwickelt.

Was sind demenzfreundliche Verweilräume und welche Bedeutung haben sie für Betroffene und Angehörige?

Regelmäßiger sozialer Kontakt und weitgehende Autonomie sind für die Lebenszufriedenheit von Menschen mit Demenz von immenser Bedeutung. Integration in das öffentliche Leben kann im Idealfall sogar den Krankheitsverlauf verlangsamen, insbesondere in der frühen Phase einer Demenz. Ein "demenzfreundlicher Verweilraum" bietet ein Umfeld, in dem sich Betroffene und Angehörige ohne Schwierigkeiten oder Verunsicherungen befürchten zu müssen, treffen, aufhalten und Kontakte pflegen können.

Zu der Gestaltung eines solchen Umfeldes gehören unter anderem die Bereitstellung leicht zugänglicher Toiletteneinrichtungen, barrierefreier Sitz- und Verweilmöglichkeiten, ausreichender Mobilitätsdienste für alle Besuchenden, die Förderung kultursensibler Angebote zur Versorgung Betroffener und Entlastung Angehöriger sowie die Schulung von Personal im Umgang mit Demenz. Projekte, die diese Ziele verfolgen, sind vielfältig:

Wer gestaltet öffentliche Räume bereits demenzsensibel – und wie?

Die verschiedenen Akteure der Nationalen Demenzstrategie widmen sich einer Vielzahl von Projekten zur Gestaltung demenzsensibler öffentlicher Begegnungs- und Verweilräume. Viele rücken dabei die Kombination von öffentlichen Räumen und verschiedenen Pflegemöglichkeiten in den Fokus.

Die Mombacher Netzwerk Allianz, unterstützt von der BAGFW, fördert erfolgreich die Vernetzung verschiedenster Akteure für Menschen mit Demenz in der Stadt Mainz. Das Projekt zeichnet sich durch eine aktive Kooperation zwischen Pflegeeinrichtungen, öffentlichen Trägern, Kirchengemeinschaften und privaten Anbietern aus. Ziel der Initiative ist es, Informationen zum Umgang mit Demenz öffentlich zugänglich zu machen, Kommunikationsnetzwerke zwischen gesundheitlichen und öffentlichen Dienstleistern zu fördern und den Pflegebedarfen in der Region gerecht zu werden. Dazu sollen unter anderem Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Einzelhandel und in Banken sowie medizinisches Personal im Umgang mit Menschen mit Demenz geschult werden und in Zusammenarbeit mit Arztpraxen und Krankenhäusern das "Logbuch Demenz" als Hilfsmittel für Patienten und Angehörige bekannt gemacht und eingesetzt werden. So können viele Stellen interprofessionell zusammenarbeiten, um Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen einen demenzfreundlichen öffentlichen Raum zu gewährleisten.

Die katholische Kirche sensibilisiert ebenfalls für das Thema Demenz und weist auf mögliche Maßnahmen hin, so beispielweise in der "Woche für das Leben", die 2022 das Schwerpunktthema Demenz hatte. Zur demenzsensiblen kirchlichen Arbeit zählen unter anderem speziell konzipierte Gottesdienste, das Einbeziehen von Menschen mit Demenz in Freizeitangebote wie Chöre und Fahrten sowie unterstützende Seelsorge für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen.

Viele Projekte zur demenzsensiblen Gestaltung öffentlicher Räume wurden auch im Rahmen der "Lokalen Allianzen für Menschen mit Demenz" verwirklicht und von Beginn an von den kommunalen Spitzenverbänden unterstützt. Einen bundesweiten Überblick bietet die Projektlandkarte der Netzwerkstelle "Lokale Allianzen für Menschen mit Demenz". Dort finden Interessierte eine Übersicht der derzeit insgesamt 94 Projekte, die sich unter anderem für die Öffnung des öffentlichen Raums für Menschen mit Demenz engagieren, sowie weitere Beratungs- und Hilfsangebote zum Thema.

Das Projekt "Nordrhein-Westfalen – Hier hat alt werden Zukunft!" wurde vom Kuratorium Deutsche Altershilfe (KDA) im Auftrag des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen durchgeführt. Es zielt darauf ab, die Teilhabe und Integration älterer Menschen in die Gemeinschaft zu fördern, ihre selbstbestimmte Lebensführung zu unterstützen und ihre Gesundheit und Lebensqualität zu verbessern. Auch hier ist die Idee einer Landkarte entstanden. Menschen vor Ort haben Teilhabeangebote entdeckt, entwickelt und als Orte und Treffpunkte für Menschen mit Demenz für die Landkarte vorgeschlagen. Die Landkarte macht die Angebotsvielfalt sichtbar und zeigt interessierten älteren Menschen Möglichkeiten der Teilhabe auf. Gleichzeitig gibt sie Impulse zum Nachahmen und fördert die Bewusstmachung von Herausforderungen im Alter.

Das Projekt "neues wohnen" des Diakonischen Werkes im Kirchenkreis Halberstadt e. V. in Sachsen-Anhalt fördert das selbstbestimmte Wohnen von pflegebedürftigen Personen. Es umfasst eine breite Palette von Unterstützungs- und Betreuungsleistungen, darunter Pflege zu Hause durch Pflegedienste, Hausnotrufsysteme, hauswirtschaftliche Versorgung und Freizeitangebote.

In Hessen wird der öffentliche Raum unter Einbeziehung der Hessischen Fachstelle für Wohnberatung demenzsensibel gestaltet. Die Fachstelle berät zum Wohnen im Alter über Möglichkeiten der Wohnungsanpassung, barrierefreies Wohnen und verschiedene Wohnformen. Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen können hier zu den passenden Angeboten beraten werden. Zusätzlich berät der Arbeitskreis Barrierefreiheit auch Kommunen zur demenzsensiblen Gestaltung von öffentlichen Räumen.

Ganz konkret - "Demenz im Quartier" in Baden-Württemberg

Das kommunale Projekt "Demenz im Quartier" in Baden-Württemberg konzentriert sich auf das direkte Lebensumfeld von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen. Fünf Modell-Quartiere wurden begleitet, um Ideen und Angebote zu entwickeln, die den Bedürfnissen von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen gerecht werden. Das dreijährige Projekt zielt darauf ab, übertragbare Konzepte und Maßnahmen zu entwickeln, um Demenzsensibilität und -aktivität zu fördern. Die Erfahrungen wurden in einem Abschlussbericht zusammengefasst und stehen so für weitere Quartiere in Baden-Württemberg zur Verfügung.

Nach der Auswahl von fünf förderfähigen Projekten aus insgesamt 33 Einreichungen wurden die Projekte aus Inzigkofen, Offenburg-Bohlsbach, Walldorf, Heilbronn-Böckingen und Ulm-Alter Eselsberg in den Jahren 2021 und 2022 intensiv begleitet und durch regelmäßige Vernetzungstreffen mit anderen Projektquartieren unterstützt. Zum Abschluss dieser Projektphase wurden vier Handreichungen und zwei Kurzfilme erstellt, die nun auf der Projektwebsite frei verfügbar sind.

Jedes Projekt konzentrierte sich auf spezifische Handlungsfelder wie die Förderung von Teilhabe, frühzeitige und niedrigschwellige Unterstützungs- und Pflegeleistungen bei Bedarf (Walldorf), die Betrachtung von Demenz aus der Perspektive von Betroffenen, Angehörigen und der Gesellschaft (Offenburg-Bohlsbach), die Vermittlung von Weggefährt:innen (Inzigkofen), die Einrichtung eines demenzaktiven Quartierszentrums mit Anlaufstelle für Menschen nach der Diagnosestellung (Heilbronn-Böckingen) sowie die Erweiterung der bereits bestehenden Netzwerke und Angebote der Quartierszentrale im Hinblick auf Demenz (Ulm-Alter Eselsberg).

Die fünf Quartiere unterschieden sich in Bezug auf Regionalraum, Größe und Struktur. Einige von ihnen konnten bereits auf etablierte Strukturen und Netzwerke zurückgreifen, um ihr Demenz-Projekt umzusetzen. Andere standen am Anfang einer lokalen Demenz-Initiative. Unabhängig von den verschiedenen Zielsetzungen und Voraussetzungen der Projekte war es das gemeinsame Ziel, nicht nur die informierten und aktiven Bürger:innen anzusprechen und einzubinden, sondern auch Menschen zu erreichen, die bisher wenig oder gar keinen Bezug zum Thema Demenz hatten.

In den Projektquartieren sind gemeinsame Entwicklungen erkennbar, die – mit unterschiedlichen Handlungsansätzen, niedrigschwellig und unabhängig von professionellen Unterstützungs-, Versorgungs- und Pflegeangeboten – Demenzaktivität vor Ort fördern. Als besonders wichtig für die erfolgreiche demenzsensible Gestaltung öffentlicher Räume haben sich dabei Sensibilisierung zum Thema Demenz, die Einbeziehung von Bürger:innen in der Nachbarschaft, die Förderung von Begegnungen und das Vernetzen von Akteur:innen erwiesen.

Zurück