Delir im Krankenhaus ist keine Seltenheit
Viele Patient*innen im Krankenhaus sind heute älter als 65 Jahre. Mehr als die Hälfte aller demenziellen oder deliranten Syndrome bleibt im Krankenhaus unerkannt oder wird nicht diagnostiziert, sodass Betroffene ohne passende Therapie bleiben. Dabei erhöht Demenz das Risiko eines Delirs. Umgekehrt begünstigt ein Delir das erstmalige Auftreten oder das schnellere Fortschreiten einer Demenz. Die Unterscheidung zwischen Delir und Demenz ist deshalb sehr wichtig und gleichzeitig in der Praxis häufig anspruchsvoll. Ein Delir tritt plötzlich auf und ist gekennzeichnet durch eine Bewusstseinstrübung, einen gestörten Tag-Nacht-Rhythmus und eine wechselhafte Symptomatik. Innerhalb weniger Stunden – teils sogar Minuten – wechseln Betroffene zwischen gegensätzlichen Gefühlslagen sowie hyperaktiven und hypoaktiven Phasen. Bei Deliren kommt es zudem häufiger zu Halluzinationen und Schlafstörungen. Im Gegensatz zu einer Demenz ist ein Delir behandelbar und reversibel. Ein konsequentes Screening von Demenz und Delir kann den Verlauf des Krankenhausaufenthalts daher positiv beeinflussen: Es reduziert Komplikationen, verringert herausforderndes Verhalten und entlastet Angehörige.
Die Maßnahme 3.3.3 "Demenz und Delir im Krankenhaus" setzt genau hier an. Im Rahmen der Nationalen Demenzstrategie wollen die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) und die Fachgesellschaften Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde e. V. (DGPPN), Deutsche Gesellschaft für Gerontopsychiatrie und -psychotherapie e. V. (DGGPP) sowie die Deutsche Gesellschaft für Geriatrie e. V. (DGG), die Deutsche Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie e. V. (DGGG) und die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e. V. (DGN) dafür sorgen, dass im Krankenhaus valide Screening-Instrumente eingeführt und das Personal entsprechend geschult wird. Dadurch soll die Zahl unerkannter kognitiver Störungen gesenkt und die Versorgung von Menschen mit Demenz verbessert werden.
Screening als Routine – nicht als Ausnahme
Warum sollte das Delir- und Demenz-Screening im Krankenhaus verbessert werden? Welche Screening-Strategien werden empfohlen? Welche Instrumente können eingesetzt werden? Diese und weitere Fragen beantworten die "Empfehlungen für das Delir- und Demenz-Screening sowie Delir-Management im Krankenhaus" der fünf Fachgesellschaften DGPPN, DGGPP, DGG, DGGG und DGN, die 2023 veröffentlicht wurden. Sie zeigen unter anderem, welche Screening-Verfahren sich in unterschiedlichen Krankenhaus-Settings (Notaufnahme, Normalstation, OP-Vorbereitung, Intensivmedizin) eignen und an welchen Konzepten zur Delir-Prävention und zum Delir-Management sich Ärzt*innen und Pflegepersonal im Krankenhaus orientieren können.
Die Empfehlungen wurden im Rahmen einer digitalen Fachveranstaltung von Expert*innen der Fachgesellschaften vorgestellt. Wichtig sei vor allem das konsequente und kontinuierliche Screening, im besten Fall aller Patient*innen ab 65 Jahren oder mindestens aller Patient*innen mit einer bestehenden Demenz-Diagnose. Krankenhäuser sollten interdisziplinär und interprofessionell für ihr Haus geeignete Verfahren erarbeiten. Die Veranstaltung wurde 2023 von der Geschäftsstelle Nationale Demenzstrategie begleitet und nachbereitet.
Multimodale Ansätze im Projekt PAWEL
Grundlage der Empfehlungen sind unter anderem die Ergebnisse des vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) geförderten Projekts PAWEL (Patientensicherheit, Wirtschaftlichkeit und Lebensqualität: Reduktion von Delirrisiko und POCD (Postoperative kognitive Dysfunktion) nach Elektivoperationen im Alter). Forschende untersuchten im Jahr 2021 die Wirksamkeit von Screening-Verfahren zur Vorbeugung eines Delirs nach Operationen. Das Hauptaugenmerk des Projekts lag auf der mehrteiligen Intervention, die einen sektorübergreifenden, multimodalen Ansatz zur Prävention und Behandlung von Delirien verfolgt. Durch diese konnten im Studienverlauf 80% der Postoperativen Delirien (POD) korrekt vorhergesagt werden. Sie reduzierte zudem die Delirprävalenz um 33%.
Qualitätsverträge als Instrument der Delirprävention
Zusätzlich eröffnen Qualitätsverträge nach § 110a SGB V Krankenhäusern und Krankenkassen die Möglichkeit, gezielt Maßnahmen zur Delirprävention zu vereinbaren und diese für eine festgelegte Zeit zu erproben. Seit 2017 zählt die Prävention des postoperativen Delirs bei älteren Patient*innen zu den vom G-BA ausgewählten Leistungsbereichen. In der aktuellen Erprobungsphase bis 2028 soll geprüft werden, inwiefern sich durch solche Anreizsysteme die Versorgungsqualität im Klinikalltag steigern lässt.
Im Mittelpunkt steht, das Delirrisiko durch strukturierte Abläufe wie engmaschige Beobachtung, Orientierungshilfen, frühe Mobilisation und den Erhalt kognitiver Fähigkeiten systematisch zu reduzieren. Besonders profitieren Menschen ab 65 Jahren sowie Personen mit kognitiven Einschränkungen oder bestehender Demenz, also Gruppen, die ein hohes Delirrisiko aufweisen. Damit unterstützen die Qualitätsverträge unmittelbar eine bessere stationäre Versorgung von Menschen mit Demenz und stärken die Delirprävention als festen Bestandteil der Behandlung. Aktuell bestehen bundesweit 21 Qualitätsverträge zwischen 41 Krankenkassen und 18 Krankenhäusern (Stand: 13. November 2025). Eine Übersicht bietet der G-BA online an.
