Neues Denken Schaffen – reger Austausch nach 7 Jahren Initiative Demenz Partner

Seit sieben Jahren informiert die Initiative Demenz Partner Menschen zum Thema Demenz – von allgemein Interessierten über Rettungssanitäter:innen bis hin zu Mitarbeitenden im Einzelhandel. Der Fachtag "Neues Denken Schaffen" gab Gelegenheit, Erfolge Revue passieren zu lassen und neue Angebote für nicht-medizinisches Personal in Krankenhäusern und anderen Orten der medizinischen Versorgung anzukündigen.

Die Initiative Demenz Partner kann auf sieben erfolgreiche Jahre schauen: 2016 wurde sie mit dem Ziel gegründet, die Gesellschaft für Menschen mit Demenz zu sensibilisieren. Bis heute wurden bundesweit fast 108.000 Menschen geschult und monatlich kommen viele mehr dazu. Ebenso kontinuierlich steigt die Zahl der Kursanbieter:innen. Auf diese Erfolge blickte Saskia Weiß, Geschäftsführerin der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e.V. (DAlzG), in ihrer Eröffnung des Fachtags am 15. November 2023 in Berlin zurück.

Seit 2020 ist die Initiative nun an acht Maßnahmen der Nationalen Demenzstrategie beteiligt, um verschiedenste Multiplikator:innen zu schulen – im ÖPNV, in Betrieben und bei Arbeitgeber:innen, im sozialen Umfeld wie dem Einzelhandel oder in unterschiedlichen Pflege-Settings. Der Fachtag richtete sich an Kursanbietende und ein Fachpublikum und bot Raum für Austausch zum Kursangebot. Das vielfältige Programm mit Fachvorträgen und einer Diskussionsrunde eröffneten die Abteilungsleiter Dr. Martin Schölkopf (Bundesministerium für Gesundheit, Abteilung 4 "Pflegeversicherung und ‑stärkung") und Andreas Schulze (Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, Abteilung 3 "Demografischer Wandel, Ältere Menschen, Wohlfahrtspflege").

Dr. Martin Schölkopf sprach sich insbesondere dafür aus, das Thema Demenz nicht zu tabuisieren, da viele Menschen persönlich oder im näheren Umfeld Bezug dazu hätten. Die Initiative Demenz Partner leiste mit ihren niedrigschwelligen Angeboten, wie den auch nach der Pandemie gut nachgefragten Online-Schulungen, einen sehr wichtigen Beitrag zum Gelingen der Nationalen Demenzstrategie. Wie wichtig Netzwerke für Menschen mit Demenz und ihre Angehörigen sind, hob Andreas Schulze in seinem anschließenden Grußwort hervor. Die Deutsche Alzheimer Gesellschaft sei hier eine besonders starke Partnerin, deren Arbeit unter anderem durch die Initiative Demenz Partner in die Breite wirke.

Sabine Haul gewährte anschließend Einblicke in die Arbeit ihrer demenzsensiblen Apotheke in Hamburg-Bergedorf. Sie selbst hat an der Entwicklung der Schulungsmaterialien für Apotheker:innen mitgewirkt. Diese haben häufig Kontakt zu Menschen mit Demenz oder beginnenden kognitiven Einschränkungen. Fragen Personen beispielsweise nach frei verkäuflichen gedächtnisunterstützenden Medikamenten, können Apotheker:innen in einfühlsamen Gesprächen an Fachärzt:innen verweisen. Menschen, bei denen eine Demenz diagnostiziert wurde, kommen mitunter mehrmals täglich in Apotheken und sind eventuell fordernd, aggressiv oder auch anzüglich. Apotheker:innen, die einen Demenz Partner Kurs besucht haben, können dieses Verhalten einordnen und sensibel reagieren. In Apotheken laufen zudem viele Fäden zusammen, Apotheker:innen kennen die ärztliche Versorgungslage im Quartier und können so geeignete Ansprechpersonen nennen. Um dieses Netzwerk zu stärken, wurden in Bergedorf beispielsweise runde Tische etabliert, an denen medizinisches Personal aus dem Kiez zusammenkam. Man einigte sich auf eine "Kompetenzkette" von Stellen, an die Menschen mit Demenz verwiesen und wo ihnen weitergeholfen werden kann – mit dem örtlichen Pflegestützpunkt als erster Anlaufstelle. Haul appellierte in diesem Zug an die Politik, bestehende Strukturen zu unterstützen, statt neue etablieren zu wollen. In der anschließenden Fragerunde wurde betont, wie wichtig interprofessionelle Zusammenarbeit ist, und dass Apotheken gegebenenfalls auch "in die Pflicht genommen" werden müssen, Mitarbeiter:innen zur Demenzsensibilität zu schulen.

Anschließend wurde der neu mit Gebärdendolmetscherin versehene Imagefilm der Initiative Demenz Partner gezeigt, der Kursanbietenden im internen Bereich zur Verfügung steht.

Nach der Mittagspause stand eine Diskussionsrunde zum Thema "Vereinbarkeit von Demenz, Beruf und Pflege" auf dem Programm. Es sprachen  

Simone Strödicke gab Einblicke in ihr Leben als jung an Demenz Erkrankte – mit 54 bekam sie die Diagnose frontotemporale Demenz – und die Hindernisse sowohl im Arbeitsleben als auch auf dem Weg zur Diagnose. Sie schaffte es, lange eine funktionierende "Fassade" aufrecht zu erhalten, bis zur endgültigen Diagnose verging jedoch über ein Jahr. Sie hätte sich vor allem mehr Tipps gewünscht, wo sie als jüngere Person mit Demenz Hilfe finden kann.

Je eher eine Beratung aufgesucht wird, desto wahrscheinlicher ist es, dass Möglichkeiten aufgezeigt werden können, wie junge Menschen mit Demenz weiter am Arbeitsleben teilhaben können. In die Beratung von Stefanie Klinowski kommen junge Menschen mit Demenz meist recht spät, zu einem Zeitpunkt, an dem der Verbleib am Arbeitsplatz kaum noch möglich ist. Sie betonte trotzdem, dass Weiterarbeiten in einem positiven Arbeitssetting auch oft bedeute: mehr Selbstwertgefühl, finanzielle Absicherung und gleichzeitig weniger psychische Belastung für Menschen mit Demenz. Als ersten Schritt für Menschen mit Demenz empfiehlt Klinowski, einen Schwerbehindertenausweis zu beantragen, der rechtlich, beispielsweise in Bezug auf Kündigungen, absichern kann. Außerdem können so auch Lotsen, Hilfen oder eine Arbeitsassistenz beantragt werden. Im besten Fall entscheide der Mensch mit Demenz allein, wann sein Arbeitsleben endet.

Die Sicht der Praxis in einem großen Unternehmen vertrat Anke Manthey: Die Belegschaft ihres Arbeitgebers AUDI AG bilde einen Querschnitt der Gesellschaft ab, sodass ihr die "Doppelrolle" Arbeitnehmer:in und pflegende:r Angehörige:r häufig begegne. Unter anderem deshalb gebe es im Betrieb eine Betriebsvereinbarung Pflege & Beruf. Die AUDI AG beteiligt sich an der Initiative Demenz Partner, bietet der Belegschaft Kurse zur Demenzsensibilisierung an und führt außerdem regelmäßig  Aktionen zum Weltalzheimertag durch. Auch innerhalb des Konzerns wurden bereits Menschen nach einer Demenzdiagnose nach ihren Möglichkeiten beschäftigt. Beispielsweise durch Jobs in neuen Bereichen oder auch arbeitsbegleitende Maßnahmen. Es sei ihr aber klar, dass diese Möglichkeiten nur größeren Betrieben zur Verfügung stünden.  

Prof. Adelheid Kuhlmey ging näher auf die Bedürfnisse pflegender Angehöriger ein. In Deutschland pflegten ca. 5 Millionen Menschen Angehörige zu Hause, meist Frauen. Viele sind unter 65 Jahre alt und erwerbstätig. Hier solle das Pflegezeitgesetz helfen, dessen Reform sie mit dem unabhängigen Beirat für die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf fordert. Es soll Zeitsouveränität ermöglichen und finanzielle Unabhängigkeit sichern. Klar sei aber auch, dass Versorgungsstrukturen das Rückgrat der Pflege bildeten und die Pflege besser verzahnt werden müsse, auch unter Einbeziehung der Angehörigen.

Petra Lindwedel, Fachergotherapeutin für Demenz, und Jessica Dinter von der Initiative Demenz Partner stellten das neue Material zur Basisqualifikation für Mitarbeitende ohne Pflegeaufgaben in stationären Settings vor. Mit neuen Schulungsmaterialien richtet sich die Initiative gezielt an das Personal in Pflegeheimen und Krankenhäusern, das nicht direkt an der Pflege und Betreuung beteiligt ist, wie Küchenpersonal oder den Krankentransport.

Das Material wurde in Zusammenarbeit mit dem Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste e.V. und dem Verband Deutscher Alten- und Behindertenhilfe e.V. entwickelt.

Abschließend warf Anna Gausmann von der Initiative Demenz Partner gemeinsam mit Saskia Weiß einen Blick zurück auf sieben erfolgreiche Jahre Demenz Partner Kurse - mit fast 108.000 geschulten Menschen, verschiedensten neuen Infomaterialien wie der Broschüre "Menschen mit Demenz brauchen … Dich", öffentlichkeitswirksamen Aktionen wie der Schulung der Deutschen Fußballnationalmannschaft der Frauen oder den erfolgreichen Ergebnissen der Evaluation des Demenz Partner- Webtrainings, laut der sich 90 Prozent der Kursteilnehmenden im Anschluss "sicherer im Umgang mit Menschen mit Demenz fühlen". Die Initiative Demenz Partner wird auch über das Jahr 2023 hinaus fortgeführt. Die DAlzG investiert dafür einen nicht unerheblichen Teil ihrer Eigenmittel und ist aktiv auf der Suche nach neuen Fördermöglichkeiten.